Montag, 10. Juni 2013

The Farm Experience: Wolle, die unter die Haut geht ...

Die OUSA (Otago University Students Association) bietet das ganze Semester über allerlei coole Aktivitäten an: Von Sprachkursen über Sport und Tanz bis hin zu Schmuckwerkstätten und Kayakausflügen. Das allercoolste Angebot aber ist die NZ Farm Experience: Ein Wochenende auf einer Farm in Waimate, der Gegend, in der angeblich die Bauern mit ihren Schafen schlafen und alle menschlichen Bewohner durch inzestuöse Verbindungen miteinander verwandt sind. So heißt es zumindest. Wir haben davon nichts mitgekriegt und können es daher nicht bestätigen ;) Außerdem ist Waimate Wallaby-Gebiet, und wir haben trotzdem kein einziges Wallaby gesehen :(

Auf jeden Fall war es aber sehr schön dort.


Den ersten Tag über waren wir bei allen möglichen Farmaufgaben dabei: Hühner füttern, die Kühe auf eine andere Weide treiben und den Zaun versetzen, mit den Hütehunden und dem Collie-Welpen Bonnie schmusen ...


... und eine Menge Kürbisse ernten.

Am Nachmittag besuchten wir als Kontrastprogramm einen hypermodernen Milchbetrieb. Das sah dann so aus.

Der gesamte Kuhstall war komplett automatisiert. Es gab nicht nur Kuhwaschanlagen ...

... sondern auch automatische Melkmaschinen!

Die Kuh läuft hinein und beginnt zu fressen, ein Roboter überprüft per Mikrochip, um welche Kuh es sich handelt und ob sie schon gemolken worden ist, und wenn ja, verschwindet das Futter und die Kuh zieht wieder ab. Wenn nein, kommt der Melkroboter angefahren und melkt die Kuh. Ich fand das ganze ziemlich gruslig ;)

Auch die süßen kleinen Kälbchen werden voll automatisch gefüttert.

Das Ganze ist also viel mehr eine Fabrik als ein Bauernhof, aber so sieht wohl leider die Zukunft der Milchviehwirtschaft aus :(

Als nächstes durften wir bei der Kartoffellese helfen. Wir sind sehr dreckig geworden dabei und es hat verdammt viel Spaß gemacht (was die Leute, die dort tatsächlich arbeiten, natürlich nicht so ganz nachvollziehen konnten).

Anschließend besuchten wir die Lagerhalle, in der unsere Kartoffeln gelagert werden würden vor ihrer Verarbeitung zu Pommes ...

... und bekamen nicht nur eine Führung durch die Pommesfabrik, sondern auch ein paar Pommes-Packungen zum Ausprobieren geschenkt ;)

Bevor wir aber die Pommes und anderes superleckeres Essen zum Abendessen genießen durften, stand uns noch eine schwere Aufgabe bevor: junge Kühe auf eine weit entfernte Weide zu treiben. Diese Biester sind nicht nur verdammt schnell, sondern können sich auch noch durch Zäune zwängen! Irgendwann gingen wir dazu über, sie motorisiert statt zu Fuß zu jagen. Das war wesentlich spaßiger :)




Kühe am Ziel :)

Den ganzen Abend verbrachten wir mit leckerem Essen und Jack, dem Farmer, der uns sein Konzept für seinen biologischen und umweltschonenden Farmbetrieb erklärte. Besonders wichtig ist ihm dabei die Qualität des Bodens und anscheinend ist es denn meisten Farmern ziemlich egal, ob ihr Boden genügend Mineralstoffe enthält. Jack war auch ganz anders, als ich mir einen typischen neuseeländischen Bauern vorgestellt hätte: Sein Haus ist voll mit Büchern, besonders interessiert er sich für Geschichte, und er war sehr neugierig zu hören, von wo wir kamen, was wir studierten und warum, was wir mit unserem Leben so anfangen wollten. Die Tschechinnen fragte er nach den heutigen Beziehungen der Tschechischen Republik zu Russland, uns Deutsche, ob es noch immer Unterschiede oder Probleme zwischen Ost- und Westdeutschland gäbe, und dann diskutierten wir alle den Nahostkonflikt. Ein wirklich interessanter und überraschend tiefschürfender Abend.

Dafür stand der nächste Tag dann ganz im Zeichen der wirklich dummen Viecher, der Schafe. Ich mag Schafe ja wirklich gerne, besonders wegen ihres Flauschfaktors, aber sie können wirklich zum Aufregen dumm sein. Aber dazu später. Der erste Programmpunkt war das Scheren, da spielen die Schafe ja nur eine recht passive Rolle. Ein Schafschererfreund unseres Farmers Jack, Tony, stellte sich selbst und einen Haufen Schafe zur Verfügung. Das hier waren unsere Schafe:

Zunächst wurden wir theoretisch eingelernt. Tony zeigte uns, wie man das Schaf hält, wie das Schergerät funktioniert und von wo nach wo das Schaf geschoren wird.

Die geschorene Wolle wird dann sofort ausgeschüttelt, ausgebreitet und dann gesammelt.

Dann durften wir alle mit Tonys Unterstützung selber ran. Mein Schaf war extrem brav und hat kein bisschen gezappelt (dafür ist es wie tot zu Boden gefallen, als ich fertig war), aber ich fand es schwer, so zu scheren, dass die ganze Wolle abging und nicht der halbe Flaum am Schaf blieb - wenn man das Schergerät zu tief in die Wolle steckt, schneidet man das Schaf nämlich ganz leicht :( Das passiert anscheinend ständig, aber trotzdem ... das arme Schaf!



Noch lustiger als das Scheren ist allerdings das Umschubsen der Schafe. Bevor man sie sich zum Scheren zwischen die Beine setzen kann, muss man sie nämlich erst zu Boden werfen :) Das funktioniert, indem man das Schaf in eine Ecke drängt, ihm die Hinterbeine wegdrückt und es dabei gleichzeitig an den Vorderbeinen hochzieht ... und schon sitzt es einem leicht verdutzt zwischen den Beinen *.*



Erst nach dem Scheren erzählte uns Tony davon, wie knallhart der Scherer-Job ist. Nicht nur sind die Arbeitszeiten extrem lang, der Job ist auch sehr gesundheitsschädlich: Ziemlich schnell bekommt man ernsthafte Rücken- und Gelenkprobleme vom vielen Schafehalten. Außerdem hat jeder Scherer mindestens einmal einen lebensbedrohlichen Unfall mit dem Schergerät. Tony hat es sich einmal versehentlich in die Brust gerammt. Und manch einer schafft es, sich damit versehentlich die Pulsadern aufzuschneiden. Aber das ist noch nicht das schlimmste an diesem Beruf. Das schlimmste ist die Wolle selber. Beim Scheren kann es passieren, dass winzige Wolle-Partikelchen durch die Poren unter die Haut gelangen. Das gemeine ist: Das kleine bisschen Wolle fängt an zu wachsen. Erst bekommt man einen entzündeten Bollen unter der Haut, dann wächst die Wolle weiter und kommt am Handgelenk, manchmal erst am Ellbogen und manchmal erst an der Schulter wieder zum Vorschein. Wächst sie nach der Schulter immer noch unter der Haut weiter, ist es allerallerspätestens Zeit, sich das Ganze rausoperieren zu lassen.
Zum Glück hat er uns das alles erst verraten, nachdem wir unser Scherglück versucht hatten ...
Hier noch ein kleines Video, in dem Tony seine Scherkunst demonstriert.


Nachdem wir alle Schafe erfolgreich entwollt hatten, durften wir zurück auf der Farm alle eine Runde Quad fahren. Lustiges Gefährt, und zwar ganz besonders mit Hund als Beifahrer :)


Der krönende Abschluss war ein Wettbewerb: Wir wurden in zwei Teams aufgeteilt und die Herausforderung war folgende: Wer schafft es, in 20 Minuten mehr Schafe einzufangen, zu wiegen und zu sortieren??
Die jungen Schafe sollten in 3 Gruppen eingeteilt werden: zu leichte Schafe, die besonders gut gefüttert werden, normal schwere Schafe, und fette Schafe, die zum Schlachter kommen.
Wir mussten also mithilfe des einen bellenden Hütehundes die Schafe in die enge Gasse zur Waage treiben, und innerhalb der Gasse für Ordnung sorgen. Die Schafe stapelten sich darin nämlich ganz schön, und nicht selten schafften es zwei von ihnen, sich so exakt nebeneinander durch einen der Durchgänge zu drängen, dass beide steckenblieben. Dann mussten wir mit vereinten Kräften versuchen, eins der Schafe vorwärts und eins rückwärts zu schieben. Dumme Tiere ;)




Aber es war trotzdem eine Menge Spaß. Am Ende waren alle Schafe sortiert, und der Wettkampf ging fairerweise ziemlich unentschieden aus. Mal sehen, wann wir unsere neu erworbene Schafscher- und -umschubskompetenzen wieder brauchen werden :)

4 Kommentare:

  1. Süßes letztes Bild ;)
    Klingt ja mega spannend auf der Farm ;)
    Krass, und auch wirklich nicht ungefährlich...

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  2. Schafe in Reih und Glied! Bestimmt sind sie dann auch steckengeblieben ;)

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  3. Oh man, ich musste bei dem Video so lachen! Wie das Schaf einfach nur dagehockt ist und gar nichts gemacht hat!

    Echt super spannend, was du da so alles mitmachst!

    PS: Melkroboter gibt es mittlerweile sogar bei mir zuhause, und das in einem kleinen Dorf mit knapp 90 Einwohnern ;-)

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    1. Aber Melkroboter sind doch trotzdem was Komisches, oder? Ich mag sie nicht :O

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